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Am ersten April 2001 berichtete ein Faltbootfreund im Forum von einem RZ96 mit Dampfantrieb. Wir hielten die Sache damals bereits für realisierbar und der Beitrag war so raffiniert gemacht, dass wir prompt auf den Aprilscherz hereinfielen. :-) | Diesmal ist
es kein Scherz. Heiko ist Maschinenbau-
techniker in Leipzig. Neben der Modellfliegerei interessiert er sich für historische Antriebsformen. In seiner Werkstatt entstanden schon mehrere funktionsfähige Modelldampfmaschinen. |
Die Idee wurde an einem Modellflug-Wochenende
aus einer flapsigen Bemerkung heraus geboren.
Er hatte ein Schlauchboot dabei und da sein Interesse für Dampfmaschinen bekannt war, witzelte ein Kamerad: „Bau doch mal ne Dampfmaschine dran!“ Heiko nahm die Aufforderung ernst und machte sich an die Arbeit. Das Schlauchboot schied als Fahrzeug aus, da es sich schlecht mit der heißen Maschine vertragen hätte. Zu seinem Poucher RZ85 hatte er mehr Vertrauen. Die erste Fahrt unter Dampf war am 5. September 2004. |
Zur Konstruktion
Die Maschine wiegt schätzungsweise 30 bis 40 kg und ist komplett in einem Rahmen aus gelochten Winkelprofilen untergebracht. Mit ein paar Schraubzwingen klemmt man sie unmittelbar hinter der Vorderlehne auf den Süllrand. Diese Stelle wird von unten durch Spant 4 abgestützt, ist also relativ gut belastbar. Das Holz des Süllrandes isoliert außerdem gegen Wärmeleitung. An Backbord steht der Wasserkasten zur Versorgung des Kessels. Beim Versuchslauf war es noch eine Konservendose, später wurde ein rechteckiger Kasten angebaut. Eine kleine elektrisch betriebene Kolbenpumpe fördert das |
Speisewasser über eine Vorwärmspirale im Schornstein zum Kessel. Der mittschiffs stehende Kessel war in seinem früheren Leben eine Propangasflasche. Er wird von unten mit Holzstücken befeuert. Gasfeuerung wäre zwar effektiver, aber ein Stilbruch. Ihn wie einen Kochtopf nur von außen zu beheizen, brächte natürlich einen sehr schlechten Wirkungsgrad. Deshalb wurde im Inneren ein senkrecht durchgehendes Rauchrohr mit fünf waagerechten Quersiederohren eingeschweißt, die wie die Sprossen einer verdrehten Strickleiter übereinander liegen. Es mündet oben in den eindrucksvollen ca. 1 Meter hohen Schornstein. |
Probelauf |
Zur Überwachung des Füllstandes gibt es ein Schauglas und für den Kesseldruck ein Manometer. Auf Fahrt schwankt der Druck je nach Feuer und Belastung zwischen 2 und 2,6 Bar. Werden 3,5 Bar erreicht, bläst ein Ventil den Überdruck ab. Inzwischen bekam der Kessel noch eine zusätzliche Verkleidung um die Verluste über die Außenwand zu verringern. Ganz rechts steht die Einzylinder-Nassdampfmaschine. Ein Exzenter auf der Kurbelwelle betätigt einen Kolbenschieber der den Dampfstrom abwechselnd auf die Ober- und die Unterseite des Arbeitskolbens leitet (doppelt wirkend). Bei einem Kolbendurchmesser von 36mm und einem Hub von 60mm erzeugt sie etwa 0,3 PS. | (Mit einem besseren Kessel könnte sie auch mehr leisten.) Das Pleuel dreht an einer „fliegend“ (einseitig) gelagerten Kurbelwelle mit Gegengewicht und Schwungmasse. Alle Lagerstellen sind einfache Gleitlager. Mehrere Öler versorgen die Hauptlager kontinuierlich mit Schmierstoff. Der Ölverbrauch ist minimal. Etwa 4 ml Maschinenöl plus 6 ml biologisch abbaubares Heißdampföl reichen für eine größere Fahrt. Unter der Maschine bildet der Boden eine breite Wanne in der verbrauchtes Öl zuverlässig aufgefangen wird. Das Kettengetriebe (Fahrradteile) hinter der Schwungscheibe untersetzt die Drehbewegung im Verhältnis 5:2 auf die beiden 50cm großen Schaufelräder aus rostfreiem Stahlblech. |
Zum Landtransport kann man die Schaufelräder und den Kessel abbauen. Am Wasser wird zunächst der Rahmen mit Kesselspeisung, Maschine und Schaufelradwelle auf dem Süllrand befestigt. Dann wird der Kessel in den Rahmen eingehängt und mit zwei Knebelschrauben am Rahmen fixiert. Schließlich sind noch die Schaufelräder anzuschrauben. Alle Schlauchanschlüsse werden verbunden, der Kessel aufgefüllt und angeheizt. Während sich das Wasser erwärmt, werden der Heißdampföler am Steuerschieber und die Ölvasen auf der Kurbelwelle nachgefüllt. Exzenter und Pleuellager bekommen einige Tropfen Öl aus der Kanne. Nach etwa 25 Minuten ist der Betriebsdruck erreicht. Der lange rote Hebel vor der Maschine war ursprünglich als Fahrregler vorgesehen. | Nachdem mehrmals der Verbindungsschlauch
platzte, übernimmt jetzt ein Handrad direkt am Kessel diese Funktion.
Der immer noch hochbelastete Schlauch wird trotzdem sicherheitshalber nach
jeweils drei Fahrten ausgetauscht. Hahn auf, ein kleiner Stups an die Kurbelwelle
und die Fahrt kann losgehen. Gesteuert wird wie faltbootüblich mit
den Füßen. Heiko hat die Fußsteuerung bis zum Vordersitz
verlängert, so dass eine Arbeitsteilung (Steuermann, Maschinist) möglich
ist.
Im gegenwärtigen Zustand schafft das Boot unter Dampf gemütliche 4-5 km/h. Nicht gerade ein Rennboot, aber das einzigartige Fahrgeräusch, der Geruch des Holzfeuers und die bewundernden Blicke vom Ufer machen das geringe Tempo mehr als wett. |
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Heiko
bastelt weiterhin fleißig an dem Antrieb. Dabei stehen vor allem
leistungssteigernde Maßnahmen im Vordergrund. Die zusätzliche
Kesselverkleidung in diesem Jahr brachte etwa 500 Watt.
Neueste Errungenschaft ist ein Blasrohr im Schornstein. Der Abdampf strömt dann nicht mehr aus dem Röhrchen an Steuerbord, sondern gemeinsam mit dem Holzrauch oben aus dem Schlot. Das soll vor allem den Abgaszug und damit die Verbrennung verbessern. Nebenbei wird wahrscheinlich der Anblick noch etwas eindrucksvoller. In Zukunft soll |
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die Speisewasserpumpe |
Himmelfahrtstour
2005
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ebenfalls von der Dampfmaschine mit angetrieben werden, so dass man auf den unromantischen Elektromotor verzichten kann. Fernziel ist es, das Dampfboot | mindestens auf
Rumpfgeschwindigkeit (etwa 8 km/h) zu bringen. Dazu müsste aber vermutlich
ein leistungsstarker Röhrenkessel her.
(21.05.05)
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Im
Frühjahr 2009 schickte Heiko neue Bilder.
Die Weiterentwicklung des Dampfers ist augenfällig. Um das Spritzwasser vom Maschinisten fern zu halten, haben die Schaufelräder breite Abdeckungen bekommen. Die Zahl der Schaufeln hat sich verdoppelt. Der erste Kessel wurde durch einen fachmännisch gefertigten Rauchrohrkessel ersetzt. Da nur noch 1,6 Liter Wasser hinein passen, muss ständig nachgefüllt werden. |
Dafür
gibt es nun einen großen Wasserkasten an Backbord und zur bisherigen
elektrischen Speisewasserpumpe ist eine mechanische an Steuerbord gekommen,
die von der Dampfmaschine mit angetrieben wird. Neben dem Schornstein ragen
ein rustikales Überdruckventil mit verstellbarem Gewicht und eine
Dampfpfeife hervor.
mehr unter: http://www.dampffaltboot.de (09.05.09)
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