|
|
Die ersten sechs Bilder entstanden im Sommer 2003 anlässlich einer faszinierenden Probefahrt auf dem Plauer See. Unser Fazit: Es macht großen Spaß. Freie Sicht nach allen Seiten. Man gleitet geräuschlos aber nicht beschäftigungslos dahin. Im Gegensatz zum Segelschirm erfordert der Drachen ständig volle Aufmerksamkeit. Sport pur! Da ein leichter Drachen kein großes Gepäckstück ist, kann man ihn für günstige Gelegenheiten immer dabei haben. J+J |
Vorstartphase: Böe abwarten | der Start | Leinen bis zum Griff ausrauschen lassen |
Drachen zur Seite auslenken | Raumschotkurs Hand über Hand | Drachen trocken einholen |
Drachensegeln
Prinzipiell kann man mit jedem Boot drachensegeln, das über eine Fußsteuerung verfügt. Das Gewässer sollte mindestens 1,5 km breit sein und möglichst wenig luftverwirbelnde Uferhindernisse (Bauwerke, Bäume) haben. Das richtige Gleichgewicht zwischen Drachengröße, Stoffgewicht und Rumpfgeschwindigkeit des Bootes zu finden, ist nicht ganz leicht. Relativ einfach ist es, ein schwerfälliges Boot mit einem kleinen leichten Drachen zu segeln. Nur kommt man dadurch kaum vorwärts. Ein übergroßer Drachen an einem schlanken Einer ist dagegen schwer in der Luft zu halten, da mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit die Windgeschwindigkeit am Drachen abnimmt. |
Material
Es gibt das Vorurteil, dass ein nass gewordener Parafoil unbrauchbar wird. Dies ist nur zum Teil richtig. Entscheidend ist das Material des Drachenstoffes. Der Stoff von Billigdrachen, die in Asien in Massen gefertigt werden, ist zu weich, zu dünn oder nicht imprägniert. Meine Lieblingsmatten bestehen aus mittelschwerem Stoff. Bei 3 bis 4 Beaufort bekomme ich sie auch nass wieder in die Luft. Am schnellsten trocknen sie nun mal, wenn sie fliegen. |
Einleiner
oder Zweileiner
Professionell gefertigte, wasserstartfähige Drachen sind teuer und auch das Packmaß ist nicht ganz ohne. Wenn man bei gleichmäßigem Rückenwind ohne Verwirbelungen nur in Windrichtung segeln will, reicht ein Einleiner. Doch wann hat man schon mal solche Bedingungen? Außerdem könnte man dafür auch einen großen Regenschirm nehmen. Der hilft wenigstens außerdem noch gegen Regen. Es hatte Ende der 90er Jahre wenig Sinn, in ein normales Drachengeschäft zu gehen, um einen Drachen fürs Faltboot zu kaufen. Selbst auf Ausstellungen wie der Hanseboot wurde mir damals unbrauchbarer Schund angedreht, mit dem angeblich Faltbootfahrer gut zurecht kommen würden. Ich habe dann den Schnitt dieses Drachen nach meinen Vorstellungen zum Zweileiner abgeändert und mit anderem Stoff einen neuen Drachen selbst genäht. Dieser wurde auf Anhieb ein Treffer. |
Schnittmuster (Blaue Linien - Stützdreiecke; Maße in cm) |
Eigenbaudrachen
Das Nähen ist nicht ganz leicht und ich habe mir über die Vorgehensweise lange den Kopf zerbrochen. Zuerst säumt man die Flächen, dann näht man an die untere Fläche die Stützdreiecke und an die obere Fläche die Wabenseiten. Zum Schluss kommt die Vereinigung der beiden Teile. Dabei muss mit größter Genauigkeit gearbeitet werden. Es ist schwierig, einen Fehler im Nachhinein ändern zu wollen. Der Stoffverbrauch beträgt in etwa das 5 bis 6-fache der gewünschten Grundfläche. Ich benutze gewöhnlich drei Farben. Eine Farbe für die obere und untere Fläche, eine weitere Farbe für die unteren Stützdreiecke und die Mehrzahl der Wabenseiten, die dritte Farbe für die beiden Wabenseiten die etwa meiner Griffbreite entsprechen. (Hier sind es die Äußeren.) |
Die Farbgestaltung hilft beim schnellen Start und erleichtert es, Anderen den Umgang mit dem Drachen beizubringen. Es empfiehlt sich, bei der Wahl der Farben gut zu überlegen. Auffällige Farben ziehen andere Boote magisch an. Dies kann bei einen Rettungssystem durchaus sinnvoll sein, wenn man aber ungestört segeln will, empfiehlt sich ein dezentes Hellgrau. Auf der Alster habe ich häufiger mit heraneilenden Segelbooten zu tun, die vergessen, dass ihr Windschatten oder ihre riskanten Manöver mich zwingen, den Drachen, den sie beobachten wollten, einzuholen. |
|
Bedienung
Lenkbare Drachen sind schwer zu starten da sich immer etwas verheddern kann und es wäre schwierig, sie stabil auszulenken. Man könnte (ähnlich den Kitesurfern) die beiden Leinen an den Enden eines Stabes befestigen und den Drachen dadurch auslenken, dass man den Stab leicht dreht. Meine Drachen sind keine richtigen Lenkdrachen. Eigentlich besteht die Matte aus zwei Einleinern die durch einen Steg miteinander verbunden sind. Dies macht sie sehr gutmütig, so dass man schnell mit ihr zurecht kommt. Die Matte wird nicht durch Ziehen an den Leinen gesteuert sondern mehr durch die Haltung der Hände. Eine Hand oben, eine unten kann man bei stabilem Wind den Drachen über längere Zeit fast rechtwinklig in der Luft neben sich stehen lassen. |
Auf diese Weise
ist es möglich, einen Bereich fahren, der zu beiden Seiten um 80°
von der Windrichtung abweicht (Abdrift mit eingerechnet). Das entspricht
etwa den Raumschotkursen beim klassischen Segeln.
Wenn nach dem Start des Drachens das Boot an Geschwindigkeit gewinnt, verringert sich natürlich die Windgeschwindigkeit für den Drachen. Es kann notwendig sein, damit der Drachen in der Luft bleibt, vor dem Wind zu kreuzen. Man könnte auch mit einem Treibanker bremsen. Bis zu einen bestimmten Grad kann man in Windlöchern durch kurzes ruckartiges Ziehen, den Drachen künstlich in der Luft halten, es geht jedoch auf Dauer in die Arme. Normalerweise wird der Drachen durch Verkürzung der Leinen trocken vom Himmel geholt. Lässt man im Notfall eine Leine los, verliert er sofort die Form und wassert. |
Ich benutze normalerweise nur Leinen bis 3 Meter Länge. Erfahrungsgemäß verheddern sich längere Leinen beim ständigen Einholen und Starten. Außerdem bremst der Drachen das Boot sofort, wenn er zu Wasser geht. Nur wenn die Bedingungen besonders günstig sind, binde ich manchmal die beiden Rollen zusammen und lasse den Drachen auf 15 Meter raus. Bei stabilen Windverhältnissen könnte man durch eine einfache Schnurkonstruktion das Boot in einen bestimmten Bereich auch automatisch auf Kurs halten. Die Länge der Strecke die man mit dem Drachen bei einem Start schaffen kann, hängt stark vom Gewässer ab. Auf der Alster schaffe ich meistens nur ein paar hundert Meter, auf der Unterwarnow können es durchaus 1 bis 3 Kilometer werden und an der schwedischen Küste wurden es schon mal 8 Kilometer. Dies jedoch war ein durch Mastbruch bedingter Notfall beim RZ85. |
Trimm
Drachen werden für einen bestimmten Bereich der Windgeschwindigkeit eingestellt. Der Trimm erfolgt durch die Justierung der kurzen Leinen an den Stützdreiecken. Ich kann während der Fahrt die Trimmung nicht ändern (dazu würde man 4 Leinen benötigen). In aufwendigen Flugversuchen wurde die optimale Trimmung gefunden und durch stabile Knoten fixiert. Beim Drachensegeln schwankt die Windgeschwindigkeit durch die Bewegung des Bootes sehr stark. Der Anstellwinkel muss relativ steil sein, um viel Zugkraft zu bekommen. Ab reichlich 2 bft. sollte der Drachen starten und bei ca. 4-5 bft. optimal fliegen. Der Drachen sollte vor allen ziehen. Dass er sich dennoch gut steuern lässt, ist eher eine angenehme Zugabe. Ein gut eingestellter Drachen muss bei 2 bft. mit der selben Trimmung fliegen wie bei 5 bft. Meine schweren Matten fliegen an Land ab 6 bis ca. 60 km/h. (Ein Drachen fliegt sogar noch bei 7bft. weil er als Rettungssystem gedacht war). Dies reicht, um mit einem Faltbooteiner ab mittleren 3 bft. gut zurecht zu kommen. Beim Faltboot-Zweier sind diese Drachen allerdings mehr als Reservesystem zu betrachten. |
(Der abgebildete Drachen wurde versuchsweise mit zusätzlichen überkreuz laufenden Leinen ausgestattet, die den Start erleichtern sollten. Da es sich nicht bewährte, wurden die Zusatzleinen inzwischen wieder entfernt.) |
Zur Geschwindigkeit
Als ich den Drachen erstmals auf dem E65 ausprobierte, war ich enttäuscht. Ich hatte das Gefühl, vorwärts zu schleichen. Erst als ich die Strecken mitstoppte, stellte ich erstaunt fest, dass ich nicht wie erwartet nur 3 sondern 5,4 km/h schnell war. Dabei war so wenig Wind, dass ich den Drachen gerade mal oben halten konnte. Das Boot liegt durch den Drachen anders im Wasser als unter normalen Segeln und erzeugt weniger Wellen und Geräusche. Als ich einmal versehentlich bei 5 bft. aus einem Windschatten heraus lossegelte, kam ich nach ca. 2 km Beschleunigung auf 16 bis 20 km/h. Leider kam mir ein Steg in den Weg und ich musste den Drachen wässern und ihn als Bremse benutzen. Nur mit dem Steuer hätte ich es nicht mehr geschafft, dem Steg auszuweichen. G.H.
|
|